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LPC-Jahrestagung 2003 Wiesbaden

Zurück zu den Wurzeln: Jahrestagung 2003 des LPC mit Beginn am Flughafen Frankfurt. Wieder einmal startete und endete das Arbeitsprogramm der Fachjournalisten und ihrer Informanten im Zentrum des deutschen Luftverkehrs. Aber auch wenn der LPC seit Jahrzehnten seinen Sitz in der Nähe des größten deutschen Airports hat, den inoffiziellen Teil seiner Tagungen versucht der Club in die landschaftlich, kulturell und kulinarisch attraktive Umgebung zu verlegen. Diesmal ging es in die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden, einem Kleinod in der Region. Übernachtet wurde im Radisson SAS Hotel “Schwarzer Bock”, dem ältesten Deutschlands.


Hugo Junkers Preisverleihung 2003


Zur Einstimmung in die außergewöhnlich informative Arbeitstagung gedacht war ein Vortrag anlässlich “100 Jahre Motorflug”. Da der vorgesehene Referent kurzfristig absagte, sprang LPC-Präsident Peter Pletschacher ein und beleuchtete im Frankfurter Airport Conference Center kurz und spannend die Meilensteine der Luftfahrt. Fast übergangslos moderierte er danach die erste lebhafte Podiumsdiskussion, in der es um die Entwicklung der europäisch-amerikanischen Luftfahrt-Beziehungen ging. Sie sind, nach Auffassung von Fred Irwin, dem Präsidenten der amerikanischen Handelskammer in Deutschland, “wirtschaftlich sogar sehr gut”. Sicherlich könnten die Kontakte noch besser sein, würden sie nicht unter den augenblicklich schlechten Marktbedingungen und unter Auswirkungen des “Buy American Act” leiden.

“Warum kaufen die Europäer (und nicht nur sie) die für sie wichtigen Luft- und Raumfahrtprodukte nicht ausschließlich in Amerika? Sind sie nicht besser und außerdem billiger?” Eine solche Einstellung und die Tatsache, dass rund 60 Prozent der politisch Verantwortlichen in den USA keinen Paß besitzen, geschweige im Ausland waren, führen häufig zu Irritationen. Begriffen haben die Europäer schon seit Jahren, und inzwischen auch viele Amerikaner, dass komplette Eigenentwicklungen und -produktionen im Flugzeugbau kaum mehr machbar, finanzierbar und sinnvoll sind. Augenfällig bleiben jedoch weiterhin – so Gerald Fock (Direktor Internationale Beziehungen Airbus S.A.S.) als auch Horst Teltschik (Boeing Deutschland) – Streitereien um Marktanteile und Subventionen im zivilen Flugzeugbau. Unbestritten verarbeiten Europäer in ihren Jets mehr Komponenten von US-Herstellern als umgekehrt (das gilt besonders für Triebwerke). Doch dieser Rigorismus scheint nachzulassen, so Fred Irvin und Horst Teltschik: “Hilfreich wäre, so hieß es, wenn die europäische Wirtschaft (speziell auch die deutsche) sowohl auf die Amerikaner weiter Druck ausübte als auch partnerschaftlich helfen würde, weitverbreitete Denkweisen abzubauen.

Bewegung ist in die deutsche Luftverkehrsindustrie gekommen. Wie geht es in der Branche in Deutschland weiter? Die an der von LPC-Vizepräsident Cord Schellenberg geleiteten Podiumsdiskussion Beteiligten Wolfgang Kurth, Hapag Lloyd Express, Klaus J. Busch, Fraport, Dr. Peter Gerber, Lufthansa, und Dietmar Ganz, FTI, waren sich weitgehend einig: Die Low Cost Airlines in Amerika, Europa und nun auch speziell in Deutschland haben die Strukturen des Fliegens verändert. Vorbei sind die Zeiten, als die Jets nur den Gutbetuchten vorbehalten waren. Selbst die Charterfliegerei hat ein neues Image bekommen, da sich das Produkt Pauschaltourismus wandelte. Die Kunden sind preissensibel, wählerisch und zielorientiert. “Sie haben” – so Wolfgang Kurth, Geschäftsführer Hapag-Lloyd Express – “das modulare Reisen entdeckt”. Urlaube werden zudem kurzfristig nach der wirtschaftlichen Gesamtlage (bestimmt durch z. B. Krieg, Sorge um den Arbeitsplatz oder Krankheit) geplant.

Die halbstündige Fahrt zum Hotel war dann eine willkommene erste Gelegenheit, mit alten Freunden fachzusimpeln – besser noch – zu klönen: Weißt Du noch… Nach der Ankunft im “Schwarzen Bock” und kurzer Erfrischung blieb – bis zur Abfahrt zum gaumenkitzelnden, feuchtfröhlichen Clubabend im ehrwürdigen Kloster Eberbach in Eltville – genug Zeit, sich in der Wiesbadener Shoppingmeile umzusehen und die ersten Weihnachtsein-käufe zu starten.

Gutgelaunt ging es am nächsten Morgen zu Lufthansa Systems, einer 100prozentigen Tochter der LH in Kelsterbach. Herzlich war der Empfang durch Dr. Peter Franke, dem CEO des weltweit führenden “Full-Services-IT-Provider und Branchenspezialisten für die Airline- und Aviation Branche mit rund 4200 Mitarbeitern an mehreren Standorten in Deutschland und Niederlassungen in 13 Ländern. Die kurzfristige Absage des Bahnchefs Hartmut Mehdorn, der die Podiumsdiskussion zum Thema “Flug gegen Bahn”: Faire Konkur-renz?” platzen ließ, konnte nicht schocken. Der LPC wäre ja nicht der LPC, hätte er nicht kurzfristig ein neues Podiums-diskussions-Thema aus dem Hut gezaubert: “Welche Perspektiven hat die Low Cost-Fliegerei”. Das Podium – moderiert von Michael Krons – mit Prof. Hansjochen Ehmer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verkehrsforschung beim DLR, Michael Garvens, Geschäftsführer Köln Bonn Airport, Hans Rudolf Wöhrl, Geschäftsführer dba und noch einmal Wolfgang Kurth, Geschäftsführer Hapag-Lloyd Express war sich einig: “Wir stehen erst am Anfang der Low Cost-Fliegerei”.

Eine brandheiße Präsentation bot Gero von Götz, Lufthansa Systems VP Airline Solutions. “Informationstechnologien heute, für Airlines von morgen” Sein Resümee: Ohne IT ist eine Optimierung von Unternehmensergebnissen nicht mehr denkbar. Mehr als 80 international operierende Fluglinien und Kunden aus anderen Branchen profitieren inzwischen von den IT-Lösungen der Lufthansa Systems. Beispiele für branchenübergreifende Portfolios sind Buderus, Commerzbank, Deutsche Bank sowie die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Keine Frage, Hauptkunden von Lufthansa Systems bleiben Fluggesellschaften, deren Kernprozesse LSY maßgerecht zu integrieren und automatisieren versucht.

Welche Kapazitäten für das LH-Angebot bereit stehen, konnten rund 30 LPCler während der Mittagspause begutachten. Festungsartig gesichert, stehen auf mehreren Etagen Batterien von Hochleistungs-Computern – auch solche von Fremdkunden. Gedacht ist an alle Notfälle. Es gibt sowohl Notstromaggregate wie auch Wasser- und Verpflegungsreserven für mehrere Tage. Auch ist an Sicherheitskopien in einem tresorartigem Raum gedacht worden, abgesehen von ausgelagerten Backup-Systemen. Enorm ist der Energieverbrauch im “Fort Knox” der LH. Er entspricht dem von Kelsterbach, in dem Lufthansa Systems residiert.

Beruhigendes konnte BDLI-Präsidialgeschäftsführer Hans-Joachim Gante über die Situation in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie referieren. Insgesamt sieht er keinen Grund “zu größeren Klagen”, auch wenn im zivilen Bereich der Luftfahrtindustrie eine Belebung der Geschäfte vorläufig kaum zu beobachten ist. In den Auftragbüchern von Airbus-Industrie stehen zur Zeit rund 1500 abzuwickelnde Aufträge. Das bedeutet Arbeit für vier bis fünf Jahre, mit einem Anteil von 40 Prozent für Deutschland. Das Hochfahren der Produktion des Eurofighters sowie der Start der Airbus Programme A380 und A400M versprechen einen Schub für die Luftfahrtbranche. Positive Impulse werden auch von der mittelfristigen Sicherung des noch vor einem Jahr fast tot gesagten Arianeprogramms erwartet. Deutschland kann sich zudem freuen, den Hauptsitz für das Galileoprojekt erkämpft zu haben. Schließlich hofft man, dass sich die ILA2004 in Berlin-Brandenburg im kommenden Jahr zum “Top-Ereignis in Europa für die gesamte Aerospace-Industrie” entwickelt, selbst wenn Boeing wieder einmal eine Absage erteilen sollte. Die Messe zwischen dem 10. und 16. Mai soll ganz im Zeichen der EU- und NATO-Osterweiterung stehen und wird vom Bundeskanzler eröffnet.

Die letzte, von Volker Thomalla geleitete, Podiumsdiskussion der diesjährigen LPC-Jahrestagung beschäftigte sich mit der “Zukunft der Regionalflughäfen: Im Schatten der Hubs”. Die Airport-Geschäftführer Heinz A. Nunkesser (Dortmund), Jörg Schumacher (Hahn), Dr. Peter Steppe (Lübeck) und Hans Weiss (Friedrichshafen) erhoffen durch die Low Cost Carrier eine Belebung des Geschäfts (“am liebsten im Takt eines Omnibusshuttles”) zu normalen Konditionen. Ansonsten sieht die Zukunft trübe aus: notfalls muss man sich nach anderen Einnahmequellen umsehen. Dazu gehören die Förderung des Incomings, der Aktivitäten in der Allgemeinen Luftfahrt und die “Nonaviation-Geschäfte”: “ Fluggäste der Low Cost-Carrier – so eine neue Erfahrung – geben in der Zeit bis zum Boarden oft das am Ticket gesparte Geld für Dinge aus, die sie sich anderenfalls nicht geleistet hätten.”

Festlicher Abschluß der Jahrestagung 2003 war die Verleihung des Hugo-Junkers-Preises im Salon Carl Schuricht im Wiesbadener Kurhaus für herausragende journalistische Arbeiten zu Themen der Luft- und Raumfahrt. Eingereicht waren mehr als 30 Arbeiten. Der mit 8000 Euro dotierte Preis, getragen von der Hugo Junkers Stiftung, dem Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) sowie dem LPC ging in diesem Jahr zu gleichen Teilen an Jens Flottau für den Wirtschaftskrimi in Aero International und ARD sowie für den umfassend recherchierten Bericht von Ilona Rothin in u. a. West 3 der ARD über die Kollision einer Passagiermaschine aus Baschkirien mit einer DHL-Frachtmaschine über Süddeutschland. Den LPC-Ehrenpreis erhielt Karl Morgenstern, der seit drei Jahrzehnten für dpa über die zivile Luftfahrt schreibt. Die Stimmung beim anschließenden opulenten Festessen im eleganten Christian Zais Saal war super. Wie immer routiniert ging am Sonntagmorgen die Mitgliederversammlung über die Bühne.


Klaus Wittkamp

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