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LPC-Jahrestagung 2005 München

Stolze 50 Jahre alt geworden ist der Luftfahrt-Presse Club (LPC) am 13. April dieses Jahres. Seit seiner Gründung – nur wenige Tage vorher konnte Lufthansa (LH), am 01. April 1955, ihren Flugbetrieb wieder aufnehmen – mauserte sich der Club zur ältesten und inzwischen auch größten Vereinigung dieser Art in der Welt.

Wie der Geschäftsführer des LPC, Clemens Bollinger, in der Einladung zur Festtagung vom 03. bis 05. Juni 2005 in München bemerkt, “leben wir in einer aufregenden Zeit: Die Luftfahrtindustrie ist in Bewegung wie lange nicht.” Doch dies war nicht das zentrale Thema der “Jubeltagung”. Mehr als 120 Mitglieder – Lufthansa hatte mit kostenlosen Tickets für eine problemlose Anreise gesorgt – und Gäste strömten zum Clubabend in das festlich ausgestatte Terminal 1 des Münchener Flughafen, um zu feiern und nichts als zu feiern, um Erinnerungen auszutauschen und über die Herausforderungen der Zukunft zu spekulieren.

Nach kurzen Begrüßungsworten durch den LPC-Präsidenten, Peter Pletschacher, und dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, Flughafen München GmbH, Dr. Michael Kerkloh, “ging die Post ab”. Man verteilte sich schnell an die festlich gedeckten Tische und ließ sich kulinarisch verwöhnen, sprang auf und begrüßte alte Freunde, bildete Grüppchen und klönte: “Weißt Du noch…” Unterbrochen wurde das weitgehend familiäre “get together” durch eine wirklich fetzige Überraschungs—Show “50-Jahre-LPC”. Sie hatte es in sich. Die Auftritte sowohl der “Funky Dancers” vom Tanzsportverein Taufkirchen als auch die Kabarett-Gruppe “Aerospott” von der AUA aus Wien kamen an und wurden heftig beklatscht.

Bei aller guten Laune, Ausgelassenheit und Festtagsstimmung vergaß der LPC jene nicht, die dessen Solidarität bedürfen. Um in Notfällen auch materiell einspringen zu können, gibt es seit 1970 den LPC-Unterstützungsfonds. Ihn aufzufüllen, half die Versteigerung eines gespendeten, attraktiven Kofferset, sowie von je einer von Lufthansa beziehungsweise Air Singapore gesponserten Reise für zwei Personen. Für die Koffer konnte der Schatzmeister stolze 460 Euro einstreichen. Der von LH zur Verfügung gestellte Wochenendaufenthalt mit Anreise in der Business-Class nach Paris oder Mailand war bald für 840 Euro versteigert. Schließlich erbrachte der Hauptpreis, eine Returnflug von Frankfurt nach Singapur in der ersten Klasse für zwei Personen, stolze 4300 Euro für den Unterstützungsfonds.

Der Vormittag des folgenden Tages wurde schiere Luftfahrtkompetenz geboten. Nach einem Kurztransfer vom Übernachtungshotel Arabella Sheraton zum Kempinski Hotel entwickelte LH-Aufsichtsratsvorsitzender und jüngstes LPC-Ehrenmitglied Jürgen Weber eine Vision für die nächsten 50 Jahre. Kernfrage ist für ihn, ob der Luftverkehr noch eine Überlebenschance hat. Dabei verwies er auf eine Studie von BP, wonach die bekannten -lvorkommen in 40 Jahren zu Ende gehen. Werden also die jetzt gerade flügge gewordenen und auf dem Reißbrett stehenden Jettypen überhaupt noch in die Luft gehen können?

Um dies – gerade angesichts der Anstrengungen auf der arabischen Halbinsel, die Infrastruktur und vorhandene Flotten mit unglaublichen Investitionen aufzurüsten – als ein Stück “lebenswerte Zukunft” zu sichern, soll nach Meinung Jürgen Webers, ein Teil der noch vorhandenen globalen -lreserven für den Flugverkehr (der Verbrauch liegt bei lediglich drei Prozent der gesamten -lfördermenge) reserviert werden. Weber: Kerosin ist als Treibstoff für Flugzeuge in absehbarer Zeit kaum durch andere Energieträger, wie zum Beispiel Biodiesel, Erdgas oder Wasserstoff zu ersetzen. Man sollte in jedem Fall der Luftfahrt Antriebsenergie-Sicherheit garantieren.

Jürgen Weber bekümmert augenblicklich aber auch der wirtschaftlich desolate Zustand der meisten Airlines in den USA und teilweise in Europa. “Wenn die alle pleite gehen, dann brauchen wir weder Treibstoff für Jumbos oder A380, noch Firmen mit fortschrittlicher Hochtechnologie wie sie beispielsweise Boeing und Airbus in der Luft- und Raumfahrtindustrie bereitstellen.”

Wenn man von den unterschiedlichen Flugzeugproduktions-Philosophien absieht, waren Jürgen Weber und Nicole Piasecki – aus dem Ressort “Strategische Planung” von Boeing – ziemlich der gleichen Meinung. Piasecki registriert allerdings im zukünftigen Luftverkehr zunehmende “Segmentierung” bzw. “Demokratisierung”. Generell ist ein Bedürfnis nach einem integrierten Komplett-Lufttransportpaket vom Boden durch die Luft und zurück zu beobachten, welches dem Flugkunden eine Beförderung von “Haus zu Haus” bietet, nicht – wie bisher – lediglich von Airport zu Airport.

Jürgen Thomas, der Vater des Airbus A380, beschrieb nochmals das Abenteuer, der Welt größtes Passagierflugzeug zu konzipieren, zu bauen und auch problemlos in die Luft zu bringen. Der Sprung in diese Dimension war nur durch bahnbrechende Innovationen in den Produktionstechniken, bei den Materialen und durch höchste Flexibilität im Arbeitsverhalten zu schaffen. Flugzeuge mit einer größeren Kapazität als der A380 wird es wohl kaum geben: “Wer will schon in einer zwei Kilometer langen Maschine sitzen oder in einem Nurflügler ohne Aussensicht?” Jürgen Thomas: “Es sind auch ohne spektakuläre Kraftakte genug neue Quantensprünge im Flugzeugbau zu erwarten, so z. B. bei der Perfektionierung des Gesamtsystems Flugzeug und vor allem in der Triebwerkstechnologie.” Was das Thema Überschallverkehr anbetrifft, so glaubt Thomas, dass es vielleicht frühestens in etwa fünf Jahren wieder virulent wird. “Das Bedürfnis nach Überschallverkehr ist auf einen eingeschränkten Kundenkreis beschränkt.”

Richtig erfrischend war der kurze Parcours von Sergei Sikorsky durch die Geschichte des Flugzeug- und Hubschrauberbaus. Vergnüglich das Fazit: Vorschnelle Statements über Machbarkeitsgrenzen und Zeitfenster haben sich in der Geschichte der Luftfahrt bisher in der Regel als relativ oder gar falsch herausgestellt. Sikorsky: “Mit dem Wort unmöglich sollte man gerade in der Luftfahrt äußerst vorsichtig umgehen”. Die anschließende, von Peter Pletschacher moderierte Diskussion, sorgte für genug Gesprächsstoff während des Mittags-Snacks mit scharfen Thai-Gerichten beziehungsweise bodenständigen, bayerischen Brotzeitgenüssen.

Der Höhepunkt der 50-Jahr-Feier des LPC war für die Residenz von München vorgesehen. Nach einer einstündigen Besichtigung der geschichtlich bedeutenden Gebäude traf man sich zu einem festlichen Abendessen im prunkvollen Max-Joseph-Saal. Vorausgegangen war die Verleihung des renommierten Hugo-Junkers-Preis 2005. Zu gleichen Teilen ging der mit 8000 Euro dotierte Preis des LPC diesmal an den Fernsehredakteur Harald Stocker und den Buchautor Clemens Bollinger, die Väter zweier journalistisch herausragenden Arbeiten.

“Eindrucksvoll visualisiert” hat H. Stocker und sein Team in einem Film zum Absturz der Raumfähre Columbia (Welt der Wunder, Pro 7) die Tragik technischer Verwicklungen und die daraus resultierende komplexe Unfallkette. In seinem mitreißenden Werk “Ein Herz für Nicole” (Krüger-Verlag) über ein Spenderherz für ein zwölfjähriges Mädchen, leistet C. Bollinger wichtige Denkanstöße zum Nutzen der Allgemeinen Luftfahrt in der Transplantationsmedizin. Den alle zwei Jahre ausgelobten LPC-Ehrenpreis für das publizistische Lebenswerk erhielt der Fachjournalist und PPL-Pilot Dieter Vogt, der seit Jahrzehnten vorwiegend für die “Frankfurter Allgemeine” über die zivile Luftfahrt schreibt.

Wie immer routiniert und erstaunlich straff ging am Sonntagmorgen die Mitgliederversammlung, einschließlich der Neuwahlen für den Vorstand, über die Bühne.


Klaus Wittkamp

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